Was ist ein Schreibaby?
Nur, weil ein Baby viel weint, ist es noch lange kein Schreibaby – jedenfalls nicht offiziell. Denn es gibt in der Einstufung, ob es sich um ein Schreibaby handelt oder nicht, eine klare Abgrenzung und die hat mit der Formel „vier mal drei“ zu tun. Sie lautet:
Ein Baby bezeichnet man als Schreibaby, wenn:
- ein Säugling mehr als drei Stunden pro Tag
- an mehr als drei Tagen pro Woche
- über mehr als drei Wochen hinweg schreit.
- Nach den ersten drei Monaten hört es meistens auf.
Schreibabys gibt es gar nicht mal so selten, denn immerhin jeder 5. Säugling ist betroffen. Früher hat man in solchen Fällen von Dreimonatskoliken gesprochen, weil man davon ausging, dass Bauchschmerzen bzw. Blähungen die Ursache für das Schreien sind. Neueste Erkenntnisse haben allerdings ergeben, dass ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus des Babies für die Unruhezustände und das viele Weinen verantwortlich ist.
Sich Ruhepausen zu gönnen, will gelernt sein
Schreibabys fehlt demnach die Fähigkeit, abzuschalten. Dieses Phänomen kennen auch wir Erwachsenen, aber dem liegt meistens eine bestimmte Situation im beruflichen oder privaten Umfeld zugrunde.
Die Grundfähigkeit, zur Ruhe zu kommen, ist bei allen Menschen angelegt. Bei jedem 5. Neugeborenen entwickelt sich diese Fähigkeit aber erst nach der Geburt, während der ersten drei Lebensmonate.
Im so genannten Normalfall sinkt die geistige Aufnahmefähigkeit eines Säuglings, wenn es eine Reihe von Eindrücken aufgenommen und gesammelt hat. Es wird ruhig und schläft ein.
Bei Schreibabys ist das anders. Sie werden zwar auch mal vorübergehend still und schlafen natürlich auch ein, aber sie kommen nicht vollständig zur Ruhe. Der Geist ist praktisch ständig auf Aufnahme programmiert, so dass einfach weitere Eindrücke wahrgenommen werden. Die Babys schrecken deshalb immer wieder hoch und sind wieder hellwach.
Allerdings sind sie dadurch nie ausgeschlafen und ausgeruht. Sie sind gereizt – als Erwachsener würde man sagen, sie sind genervt, überfordert und körperlich sowie geistig angestrengt. Das Baby hat noch nicht gelernt, sich seine Ruhepausen zu holen – so erklärt Wollwerth de Chuquisengo, Psychologin in der Sprechstunde für Schreibabys am Kinderzentrum München, die Situation.
Aber einen Trost gibt es für Eltern in dieser anstrengenden Zeit: Diese Fähigkeit entwickelt sich im Lauf der ersten drei Monate und das ständige Schreien wird weniger werden, bis es schließlich ganz aufhört.
Eltern von Schreibabys brauchen Hilfe
Für Eltern, die gerade mittendrin in dieser Schreiphase stecken, ist das allerdings nur ein schwacher Trost. Hier geht es dann auch um mehr, als um die Erschöpfung von Mutter und Vater, obwohl dieser Zustand nicht heruntergespielt werden darf.
Schlafmangel bei den Eltern, welcher gezwungenermaßen in dieser Zeit auftritt, kann die Ursache für eine Erschöpfungsdepression sein und ist daher ernst zu nehmen.
Es gibt aber noch eine weitere Problematik: Die Signale von Schreibabys sind schwer zu lesen. Ein Säugling schreit, wenn ihm etwas fehlt und ist ruhig, wenn es zufriedengestellt wurde.
Diese einfache Formel ist auf Schreibabys nicht anwendbar. Auch Kinder, die unter diese Kategorie fallen, weinen, wenn sie Hunger haben, Liebe und Zuwendung brauchen, wenn die Windel voll ist oder wenn es im Bäuchlein zwickt. Und sie schreien auch die restliche Zeit.
Betroffene Eltern brauchen dringend Hilfe und wenn auch Du ein Schreibaby hast, kann ich Dir nur raten, Dich nach einer Beratungsstelle, Schreibaby-Ambulanz oder Sprechstunde in Deiner Nähe umzusehen – und zwar, möglichst bevor du völlig entnervt und erschöpft bist. Es ist nämlich ganz normal, dass sich bei Eltern in solchen Situationen Emotionen einstellen, die in einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung fehl am Platz sind.
Es ist die Rede von Aggressionen und von affekthaften Handlungen, die unbedingt vermieden werden müssen. Eltern von Schreibabys berichten oft davon, dass sie mit der Zeit eine fast nicht mehr zu kontrollierende Wut, Verzweiflung, Frustration und sogar Aggression entwickeln. Das ist normal, dafür brauchst Du Dich nicht zu schämen, aber Du musst auch wissen, dass es hier Hilfe gibt. Hol sie Dir bitte im Interesse Deines Babys und auch Deinetwegen.
Was kannst Du tun, um Dein Baby zu beruhigen?
Vor dem Hintergrund des Wissens, dass Schreibabys alle Eindrücke aufnehmen, die geboten werden, kannst Du entsprechend reagieren.
Ein regelmäßiger Tagesablauf hilft, den Rhythmus zu trainieren, der Deinem Baby noch fehlt. Wenn Du zu bestimmten Zeiten für Ruhe sorgst (keine Musik, kein Besuch, keine Geräusche, evtl. Verdunkelung des Raumes), und damit für eine Reduzierung der Reize sorgst, die Dein Baby aufnehmen könnte, lernt Dein Kind nach und nach, diese Ruhephasen zu nutzen.
Das funktioniert nicht von heute auf morgen, aber kleine Erfolge sind in einer solchen Situation ein Riesenschritt nach vorne.
Ich wünsche Dir ganz viel Geduld und Liebe! Ich kann Dir nicht versprechen, dass Ihr die Zeit der Schreiphase immer ohne lädierte Nerven übersteht, aber ich kann Dir ein baldiges Ende dieser anstrengenden Phase in Aussicht stellen!